Labor für eine Kreislaufwirtschaft
Mit diesem interdisziplinären Forschungsprojekt wollten wir aufzeigen, unter welchen betriebswirtschaftlichen, juristischen, politischen, ökologischen und technischen Bedingungen nachhaltiges Wirtschaften in Form einer Kreislaufwirtschaft sowohl ökologisch sinnvoll als auch ökonomisch profitabel sein kann. Mit dieser interdisziplinären Frage haben sich drei Doktorierende und ihre Betreuenden befasst.
Hintergrund
Unser heutiges Wirtschaftssystem basiert mehrheitlich auf einem linearen Prinzip. Die Folgen sind die Entstehung von Abfall und eine Übernutzung von natürlichen Ressourcen. Die Kreislaufwirtschaft – ein Wirtschaftssystem, in dem Produkte, Bauteile und Materialien möglichst lange werterhaltend genutzt werden – ist ein wichtiger Hebel zur Lösung unserer Umweltprobleme. Allerdings stösst eine weitreichende Einführung der Kreislaufwirtschaft gesellschaftlich auf Hindernisse: Studien zufolge erfüllen nur 8,6% unserer wirtschaftlichen Aktivitäten die entsprechenden Anforderungen, sodass laut dem Circularity Gap Report 2021 eine riesige Zirkularitätslücke besteht.
Ziel
Ziel dieses inter- und transdisziplinären Projekts war es, Grundsätze zu erarbeiten, die Unternehmen der Schweizer Wirtschaft bei der erfolgreichen Einführung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft unterstützen. Dazu haben wir mit sechs grösseren und kleineren Partnerunternehmen (Losinger Marazzi, Nespresso, V-Zug, Dr. Gabs, SV Group und Tisca Tiara) zusammengearbeitet und dabei Tools und Konzepte entwickelt, um die Einführung einer Kreislaufwirtschaft in diesen Unternehmen zu unterstützen. Dabei haben wir uns vor allem auf drei Aspekte konzentriert: Material- und Energiebedarf, die gesetzlichen und administrativen Rahmenbedingungen sowie das jeweilige Geschäftsmodell.
Resultate
Keine Verringerung der Umweltauswirkungen wäre eine Veraachtung der Grundrechte
Mit einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft könnte man in der Schweiz mittelfristig die Ausübung der Grundrechte gemäss Bundesverfassung gewährleisten (Menschenwürde – Art. 7 BV, Recht auf Leben – Art. 10 BV, Wirtschaftsfreiheit – Art. 27 BV, Eigentumsgarantie – Art. 26 BV usw.). Die Umweltauswirkungen unserer Systeme auf den Planeten nicht zu verringern, hätte angesichts der Klimaproblematik und der Überschreitung weiterer Belastungsgrenzen des Planeten vermutlich ähnliche Folgen wie eine Missachtung der Grundrechte («eingriffsähnliche Vorwirkung»).
Bessere Umsetzung von Grundsätzen zum Thema Nachhaltigkeit
Auch können im Rahmen einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft verschiedene in unserer Bundesverfassung festgeschriebene Grundsätze besser umgesetzt werden, insbesondere diejenigen, die sich auf Vermeidung und Vorbeugung beziehen (Art. 74 Abs. 2 BV), und sowie auf Nachhaltigkeit (Art. 2, Art. 73 BV) beziehen. Das würde die Umsetzung weiterer Bestimmungen erleichtern, die sich unter anderem auf eine nachhaltige Energieversorgung (Art. 89 BV) oder eine nachhaltige Landwirtschaft (Art. 104, 104a) beziehen. Das Verursacherprinzip (Art. 74 Abs. 2 BV) sollte so umgesetzt werden, dass die Preise die Begrenztheit der globalen Ressourcen reflektieren. Dazu müssten die externen, durch das Überschreiten der planetaren Grenzen entstehenden Kosten durch bestimmte Marktmechanismen internalisiert werden (z. B. durch Besteuerung des Umweltfussabdrucks oder bestimmter Quoten) und somit eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft innerhalb unseres liberalen Wirtschaftssystems gewährleistet werden (Art. 94 BV).
Unternehmen müssen ihre Geschäftsmodelle auf Kreislaufwirtschaft abstimmen
Dazu müssen Unternehmen ihre Geschäftsmodelle erneuern und diese auf die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft abstimmen. Hierbei ist von zentraler Bedeutung, dass die Geschäftsmodelle sowohl auf die Wertbildung als auch auf die Wertschöpfung und die Werterfassung nach den Grundsätzen der Kreislaufwirtschaft eingehen. Einzelunternehmen können oft nicht sämtliche Aufgaben innerhalb der Wertschöpfungskette selbst ausführen; sie sind daher von anderen Beteiligten, vor allem von anderen Unternehmen, abhängig. Die einzelnen Geschäftsmodelle entlang dieser Wertschöpfungskette müssen koordiniert und auf ein gemeinsames Leistungsversprechen und ein zirkuläres Produktdesign ausgerichtet werden. So lassen sich zirkuläre Produkte und Lösungen über Unternehmensgrenzen hinweg einführen. In diesen so genannten zirkulären Ökosystemen braucht es qualifizierte «Dirigierende», damit die Betriebe innerhalb der planetaren Grenzen handeln und dabei externe und interne Hürden überwinden können.
Bedeutung für die Forschung
Mit seinem systemischen und globalen Ansatz trägt dieses Projekt in mehrfacher Hinsicht zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft bei. Wir haben neue Methoden entwickelt, um globale Kriterien für Umweltauflagen mit dem Design von Produkten und Dienstleistungen zu verbinden und um Transitionen zu gestalten. Unternehmerische Chancen für die Entwicklung von Geschäftsmodellen in zirkulären Ökosystemen, sowie die Zusammenhänge zwischen den regulatorischen Rahmenbedingungen und der Übergang zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft in der Schweiz sind hier umfassend dargestellt; dabei zeigen wir neben den förderlichen Faktoren auch die Hindernisse auf und machen Vorschläge, wie sie zu überwinden sind. Wir haben Konzepte entwickelt, die sich auf die Verantwortung des Staates beziehen, Massnahmen für den Erhalt unserer überlebenswichtigen Systeme zu ergreifen und den Konflikt, der offenkundig zwischen diesen Systemen und den Grundrechten im Zusammenhang mit der Wirtschaftsaktivität bestehen, zu überwinden.
Bedeutung für die Praxis
Im Rahmen dieses Projekts haben wir unterschiedliche Instrumente entwickelt, die Designenden helfen sollen, bei ihrer Arbeit die absolute ökologische Nachhaltigkeit von Produkten/Dienstleistungen zu berücksichtigen. Wir stellen praktische Chancen und Instrumente vor, die Verantwortlichen und Projektmitarbeitenden bei der Umsetzung von Geschäftsmodellen in einer Kreislaufwirtschaft zur Verfügung stehen. Zudem bieten wir ihnen Hilfestellung bei der Überwindung von Hindernissen auf diesem Weg an, indem wir beispielsweise 40 Muster zirkulärer Ökosysteme identifizieren, einen «Navigator» für den Prozess der Transition bereitstellen und Tools für die Entwicklung von Strategien anbieten. Mit diesem Projekt zeigen wir den politischen Entscheidungstragenden in der Schweiz, wie die regulatorischen Rahmenbedingungen auf eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zugeschnitten werden können, und liefern gleichzeitig Argumente für eine Legitimierung dieser Massnahmen.
Publikationen
Projektleitung
Prof. Dr. Karolin Frankenberger
Institut für Betriebswirtschaft IfB-HSG
Universität St. Gallen
Dr. Roland Hischier
Technology & Society Laboratory
EMPA
Prof. Dr. Stéphane Nahrath
Institut de hautes études en administration publique (IDHEAP)
Université de Lausanne
Prof. Dr. Anne-Christine Favre
Faculté de droit, des sciences criminelles et d'administration publique
Université de Lausanne
Projektpartnerschaften
Dr. Gabs
Losinger Marazzi
Logitech
Nespresso
SV Group
Tisca Tiara
V-Zug
sanu durabilitas
Schweizerische Stiftung für nachhaltige Entwicklung (Transferpartner)