Ressourceneffizienz in Schweizer Spitälern
Welche Prozesse in einem Spital sind besonders umweltbelastend und wie können sie unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Patienten und Personal nachhaltiger gestaltet werden? Mit diesem Projekt wurden Primärdaten gesammelt und relevante Spitalprozesse gemeinsam mit Partnerspitälern aus Umwelt- und Logistiksicht analysiert.
Hintergrund
Obwohl der Gesundheits- und Sozialbereich in ökologischer Hinsicht nach Ernährung, Mobilität und Wohnen der viertwichtigste Konsumbereich ist, gibt es dazu kaum umfassende Nachhaltigkeitsbewertungen. Vor diesem Projekt war nicht klar, wo die grössten Hebel für Verbesserungen liegen und wie diese konkret genutzt werden können. Bisher gab es keine Analysen zur Umwelteffizienz von Spitälern, und es war nicht bekannt, in welchen Bereichen das grösste Optimierungspotenzial liegt.
Ziel
Mit dem Projekt sollten konsistente und umfassende Erkenntnisse über den Ressourcenverbrauch und die Umweltbelastung durch Schweizer Spitäler gewonnen werden. Dazu wurde untersucht, welche Faktoren für die Umweltbelastung durch das Gesundheitswesen und für die Ressourceneffizienz von Spitälern im gesamten Lebenszyklus ausschlaggebend sind. Diese Ergebnisse waren Ausgangspunkt für die Erarbeitung von Best Practices für einen nachhaltigen und effizienten Betrieb von Spitälern in der Schweiz.
Resultate
Untersucht wurden die Spitalbereiche Elektrizität, Heizung, Verpflegung, Gebäudeinfrastruktur, Wäscherei, Wasserverbrauch, Abfall und Abwasser, Textilien, medizinische Produkte, Reinigungsprodukte, Papier- und Druckerverbrauch, Arzneimittel, elektronische Geräte und medizinische Grossgeräte.
Schlüsselbereiche zur Erhöhung der Nachhaltigkeit in Spitälern
Unsere Lebenszyklusanalyse der Umweltauswirkungen dieser 14 Spitalbereiche in 33 Schweizer Spitälern hat gezeigt, dass Verpflegung, Gebäudeinfrastruktur, Heizung, Elektrizität und Arzneimittel zusammen rund 70 % der Treibhausgasemissionen der Schweizer Spitäler verursachen.1 Auch gemäss der Schweizer Methode der ökologischen Knappheit2 entfallen auf diese Bereiche rund 70% der gesamten Umweltbelastung durch den Spitalsektor. Mit dieser Methode werden die Auswirkungen von Schadstoffemissionen und Ressourcengewinnung auf die Umwelt im Rahmen einer Lebenszyklusanalyse bewertet.
Einbezogene Aspekte in die Nachhaltigkeitsanalyse
Diese Analyse berücksichtigt die aktuellen Emissionen im Verhältnis zu den von der Schweiz angestrebten nationalen und internationalen Emissionszielen. Beispiele für berücksichtigte Aspekte sind die Energie- und Mineraliennutzung, die Verschmutzung von Luft, Wasser und Boden, die Landnutzung und der Klimawandel. Die Produktion von medizinischen Grossgeräten, die Reinigungsprodukte und medizinischen Produkte sowie Wäscherei, Papier/Druck und Wasserverbrauch verursachen je weniger als 4 % der Klima- und Umweltauswirkungen. Die Ökoeffizienzanalyse mittels Data Envelopment Analysis (DEA) und Stochastic Frontier Analysis (SFA) ergab, dass die Hälfte der Spitäler ihre Umweltauswirkungen um mindestens 50 % verringern könnten, ohne dass dies ihre Gesundheitsleistungen beeinträchtigen würde.
Optimierungspotenzial für nachhaltige Spitäler
Berücksichtigt man sowohl die Effizienz als auch die Umweltrelevanz der Bereiche, so liegen die grössten Optimierungspotenziale ebenfalls in den Bereichen Gebäudeinfrastruktur, Verpflegung, Heizung, Elektrizität und Arzneimittel, gefolgt von Abfall und Abwasser. Das grösste Optimierungspotenzial in Spitälern besteht beim Heizen. Eine Verbesserung der durchschnittlichen Heizeffizienz in allen Spitälern um einen Prozentpunkt würde den Treibhauseffekt (GWP) insgesamt um 0,6 % oder fast 1700 Tonnen CO2eq pro Jahr reduzieren. Für die Schweizer Akutspitäler werden die gesamten Treibhausgasemissionen über den Lebenszyklus auf 445'000 Tonnen CO2-Äquivalente (CO2eq) pro Jahr geschätzt. Dies entspricht 20,43 t CO2eq pro standardisiertem Ertrag in CHF oder 3,26 t CO2eq pro Gesundheitsdienstleistung, die ein Mitglied des Gesundheitspersonals pro Vollzeitäquivalent (VZÄ) in einem Jahr erbringt.
Nachhaltigkeitspotenziale in der Logistik
Eine Prozessanalyse vor Ort ergab, dass eine Optimierung der Logistik in allen untersuchten Spitälern möglich ist, z. B. durch die Straffung des Bestellprozesses für die einzelnen Einheiten mittels Angabe einer Bestellmenge, die Schulung des Personals, um die Verschwendung von Putzlappen zu vermeiden, und mehr vegetarische Mahlzeiten, indem mehr fleischlose Optionen angeboten und als Standard ein vegetarisches Menu serviert wird.
Bedeutung für die Forschung
Als Ergebnis des Forschungsprojekts konnte die erste wissenschaftliche Publikation über eine Lebenszyklusanalyse für Spitäler auf der Grundlage von Bottom-up-Inventardaten erstellt werden Die entwickelte Vergleichseinheit für die standardisierten Erträge bietet einen neuen Ansatz zur Berechnung des Wertes von erbrachten Gesundheitsdienstleistungen. Dies ermöglicht einen Vergleich der Umweltauswirkungen verschiedener Gesundheitsdienstleister und bietet eine valable Alternative zu Vergleichen aufgrund von Bettenzahl, Spitaltagen oder Patientenzahl, da die standardisierten Erträge sowohl stationäre als auch ambulante Behandlungen umfassen und regionale Unterschiede bereinigen.
Die Vergleichseinheit und die Ergebnisse eignen sich daher als Referenz für internationale Veröffentlichungen und werden zur künftigen Forschung über Ökobilanzen von Spitälern beitragen, indem sie die Nachhaltigkeitsrelevanz der verschiedenen Spitalbereiche berücksichtigen.
Bedeutung für die Praxis
Die Prozessanalyse vor Ort zeigte, dass in den Spitälern Verbesserungspotenzial bei den Reinigungs- und Beschaffungsprozessen besteht. Jedes Spital kann von einer systematischen Analyse seiner individuellen Betriebsabläufe profitieren.
Indem mit der Ökoeffizienzanalyse die Spitalbereiche mit dem grössten Verbesserungspotenzial hinsichtlich Ressourceneffizienz identifiziert wurden, können Nachhaltigkeitsinitiativen in den Spitälern optimiert werden. Interaktive Networking-Workshops führten zu neuen Kooperationen, z. B. zwischen den Nachhaltigkeitsverantwortlichen verschiedener Spitäler. Ihr grosses Interesse am Thema zeigt, wie wichtig der Austausch von Ideen über Nachhaltigkeitsmassnahmen ist.
Publikationen
Projektleitung
Matthias Stucki
Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen, Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW
Dr. Stefan Meyer
Institut für Wirtschaftsstudien Basel IWSB
Dr. Sebastian Wibbeling
Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML, Deutschland
Projektpartnerschaften
GZO Spital Wetzikon
Hirslanden Group
Inselspital