Diversifizierte Ernährungssysteme dank nachhaltiger Handelsbeziehungen
Die Umgestaltung der Ernährungssysteme erfordert eine Auseinandersetzung sowohl mit der heimischen Produktion als auch mit dem Handel. Wir haben einen konkreten Gesetzesvorschlag ausgearbeitet, um zu zeigen, wie Regierungen differenziertere und nachhaltigere Handelsbeziehungen schaffen können, indem sie verletzliche, aber besonders nachhaltige Ernährungssysteme unterstützen und besonders schädliche Systeme verhindern können.
Hintergrund
Diversifizierte Ernährungssysteme sind nachhaltiger als spezialisierte Ernährungssysteme. Sie fördern die ökologische und ökonomische Vielfalt, verteilen den sozialen Nutzen gerecht und tragen zu einem diversifizierten Nahrungsmittelkorb bei. Aber ihre Produkte werden oft von Produkten aus spezialisierten Systemen verdrängt. Staaten suchen nach Wegen, um Anreize für eine nachhaltige Lebensmittelproduktion zu schaffen und schädliche, nicht nachhaltige Produktion zu erschweren, indem sie die Ansätze des Privatsektors in ausgewogener und angemessener Weise ergänzen und stärken.
Ziel
Ziel des Projekts war es, Artikel 104a lit. d der Bundesverfassung zu konkretisieren. Dieser verpflichtet den Bund, die Voraussetzungen für «grenzüberschreitende Handelsbeziehungen, die zur nachhaltigen Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft beitragen» zu schaffen. Durch die Entwicklung von auf Nachhaltigkeit ausgerichteter Handelsregulierungsmodellen wollte das Projekt sowohl für die nationale als auch für die internationale Politik Wissen und Inspiration im Hinblick auf die Unterstützung nachhaltiger und diversifizierter Ernährungssysteme weltweit schaffen.
Resultate
Das Projekt hat die Debatte durch engagierte Diskussionen, verschiedene Papers (wissenschaftliche Publikationen) und einen konkreten Gesetzesvorschlag beeinflusst. Ein zielgerichteter Syntheseprozess führte zu einem Vorschlag für ein «Bundesgesetz über nachhaltigen Agrarhandel», (Bundesgesetz über nachhaltigen Agrarhandel), das die Schweizer Regierung und andere relevante Akteure informieren soll. Der Gesetzesentwurf berücksichtigt die Ergebnisse des analytischen Teils des Projekts. Eine «Storyline» der Ergebnisse ist auf der Website des Projekts verfügbar, mit Link zu wissenschaftlichen Publikationen. Wichtigste Ergebnisse:
- Artikel 104a lit. d der Bundesverfassung verpflichtet den Bund, die Voraussetzungen für grenzüberschreitende Handelsbeziehungen zu schaffen, die zur nachhaltigen Entwicklung der Land- und Ernährungswirtschaft beitragen.
- Ein optimaler Rechtsrahmen kombiniert förderliche und hinderliche Massnahmen.
- Die Bewertungsverfahren sollten vertrauens-, wissens- und kontextbasiert sein, und partnerschaftliche Ansätze bevorzugt umgesetzt werden.
- Die geltenden WTO-Regeln machen es den Staaten nicht leicht, zwischen nachhaltigen und nicht nachhaltigen Produkten zu unterscheiden. Dennoch verfügen die Staaten über einen gewissen Handlungsspielraum. Das Abkommen zwischen der EFTA und Indonesien bietet eine inspirierende regulatorische Innovation zu Zollpräferenzen für nachhaltig produziertes Palmöl, die weiter ausgebaut werden sollte.
- In der Vergangenheit erschwerten festgefahrene Vorstellungen im Handelsrecht die Nutzung des Handlungsspielraum für die Förderung der Nachhaltigkeit.
- Zwar gibt es keinen einheitlichen internationalen Standard für nachhaltige Ernährungssysteme, aber ein gewisses «gemeinsames Verständnis von nachhaltigen Ernährungssystemen» ist vorhanden. Einige Themen bleiben jedoch umstritten.
- Privatwirtschaftliche Nachhaltigkeitssiegel, zum Beispiel im Fischsektor, reichen nicht aus, um die Einfuhr nachhaltiger Waren zu fördern. Auch freiwillige Industrieallianzen für eine «verantwortungsvolle» Beschaffung, wie etwa die Branchenvereinbarung über Sojaimporte, sind nur bedingt wirksam. Der Staat muss diese Ansätze in ausgewogener und angemessener Weise ergänzen.
- Kontextsensitive Lösungen setzen die Anerkennung von erschwinglichen, Bottom-up-Zertifizierungssystemen und «hausgemachten» Landschaftskonzepten voraus. Es gibt jedoch auch andere Möglichkeiten der Vertrauensbildung als Zertifizierungssysteme, z.B. beziehungsbasierte, kurze Wertschöpfungsketten.
- Der innenpolitische Rahmen im Bereich Landwirtschaft ist in der Schweiz mit diversen Ungereimtheiten behaftet, die erst beseitigt werden müssen, bevor die Handelsbeziehungen auf kohärente Weise mit den Produktionsprozessen verknüpft werden können.
Bedeutung für die Forschung
Das Projekt hat eindeutig dazu beigetragen, die seit Langem bestehenden Grenzen in der Debatte über «Handel und Nachhaltigkeit» zu verschieben, die in der akademischen Welt immer mehr an Schwung gewinnt. Mit jedem Paper haben wir eine andere akademische Gemeinschaft informiert und gleichzeitig die Debatte über nachhaltige Ernährungssysteme im Hinblick auf Handelsbeziehungen und die Interaktion zwischen Privatwirtschaft und öffentlicher Hand zur Stärkung nachhaltiger Produktionsprozesse vorangetrieben. Wir haben uns für einen innovativen Syntheseansatz («Bundesgesetz») entschieden, der die Bedürfnisse der politischen Entscheidungsträger berücksichtigt. Dieser Ansatz kann künftigen lösungsorientierten Forschungsprojekten als Inspiration dienen.
Bedeutung für die Praxis
Unsere innovative Synthese («Bundesgesetz») zeigt konkret auf, wie Staaten im Rahmen ihrer Handelsbeziehungen nachhaltig produzierte Lebensmittel von den weniger nachhaltig produzierten abgrenzen können, ohne dabei wichtige Grundsätze des Handelsrahmens zu verletzen, wie etwa das Gebot der Nicht-Diskriminierung. Konkret wurden zwar noch keine Gesetzesanpassungen vorgenommen, aber die Debatte, insbesondere in der Schweiz und in der EU, weist stark in die Richtung unseres Vorschlags.
Publikationen
Projektverantwortliche
Dr. iur. Elisabeth Bürgi Bonanomi
Attorney at Law
Co-Head Impact Area Sustainability Governance
Centre for Development and Environment CDE, Universität Bern
Prof. Dr. Eva Maria Belser Wyss
Institut für Föderalismus, Universität Freiburg
Dr. Stefan Mann
Forschungsgruppenleiter Sozioökonomie, Agroscope Reckenholz-Tänikon ART
Projektpartnerschaften
Ekolibrium GmbH
WTO-Recht, Agrarhandel und nachhaltige Entwicklung
Thomas Cottier
Universität Bern, World Trade Institute (WTI)
Peter van den Bosche
Universität Bern, World Trade Institute (WTI)
Rob Howse
Universität New York, School of Law
Tabitha Kiriti
Universität Nairobi
Maribel Aponte
Universität Puerto Rico
Jonathan Hepburn
Ehemals International Centre for Trade and Sustainable Development (ICTSD)
Sophia Murphy
International Institute for Sustainable Development (IISD)
Franz Perrez, Umweltbotschafter der Schweiz und Experte für Handel und Umwelt
Bundesamt für Umwelt (BAFU)
Franziska Humbert
Oxfam
Kinga Mwendia
WTO African Group
Irene Musselli
Centre for Development and Environment CDE
Nachhaltige Landwirtschaft und Handel
Beate Huber
Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL
Sabin Bieri
Universität Bern, Centre for Development and Environment
Albrecht Ehrensperger
Universität Bern, Centre for Development and Environment
Theresa Tribaldos
Universität Bern, Centre for Development and Environment
Stephan Rist
Universität Bern, Geographisches Institut
Chinwe Ifejika Speranza
Universität Bern, Geographisches Institut
Simon Bush
Universität Wageningen
Manuel Flury
Swiss Agency for Development and Cooperation SDC
Christian Disler
Swiss Agency for Development and Cooperation SDC
Karin Büchel
Staatsekretariat für Wirtschaft (SECO)
Krisztina Bende
Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)
Kate Dassesse
Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)
Bernard Lehmann
Ehemals Bundesamt für Landwirtschaft (BLW)
Daniel Laeubli
Migros/Micarna
Manuela Stiffler
Fairtrade Max Havelaar Switzerland
Tobias Joos
Crowd Container
Annemarie Sancar
Women in Development Europe (WIDE)
Frank Eyhorn
Biovision
Daniela Hoffmann
WWF
Thomas Wirth
WWF
Christine Badertscher
Swissaid
Isolda Agazzi
Alliance Sud
Beat Röösli
Schweizerischer Bauernverband (SBV)