Arbeitsmarkteffekte einer grünen Volkswirtschaft
Die Schaffung einer grünen Wirtschaft bedingt die Entwicklung umweltfreundlicherer Produktionsprozesse und Produkte. Diese Transformation hat Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und ihr Erfolg wird davon abhängen, ob genügend Arbeitskräfte mit den für den Umbau notwendigen Fähigkeiten verfügbar sind.
Hintergrund
Um Arbeitsmarktaspekte der grünen Transformation besser zu verstehen, ist es notwendig, die Perspektive auf Berufsgruppen zu legen anstatt auf ganze Branchen. Anhand von Fähigkeitsprofilen unterschiedlicher Berufe kann dann abgeschätzt werden, welche Berufe ein hohes Potenzial haben, grüne Aufgaben zu übernehmen. Dieses «grüne Potenzial» von Berufen ist entscheidend dafür, wie gut ein Land bzw. dessen Arbeitsmarkt auf den Umbau zu einer grünen Wirtschaft vorbereitet ist.
Ziel
Das Ziel des Projektes war es, das «grüne Potenzial» unterschiedlicher Berufe sowie der Erwerbsbevölkerung in der Schweiz und in anderen Ländern zu bestimmen. Um dieses Ziel zu erreichen, schätzten wir ab, welche Berufe und Fähigkeitsprofile zukünftig aufgrund der grünen Transformation mehr bzw. weniger nachgefragt werden dürften. Dies erlaubte uns schliesslich, bildungs- und wirtschaftspolitische Folgerungen im Hinblick auf den Umbau einer Volkswirtschaft in eine grüne Wirtschaft herzuleiten.
Resultate
Grünes Potenzial je nach Berufszweig unterschiedlich
Berufe mit relativ vielen technischen und naturwissenschaftlichen Fähigkeiten weisen in unserer Analyse tendenziell das höchste grüne Potenzial auf. Die niedrigsten Werte verzeichnen dagegen Berufe, die zum Beispiel im Gesundheits- oder Kunstbereich zu finden sind. Für die Schweiz können wir zusätzlich festhalten, dass Erwerbstätige in Berufen mit hohem grünen Potenzial im Durchschnitt jünger, häufiger männlich und öfter zugewandert sind sowie über ein höheres Bildungsniveau verfügen als jene in Berufen mit geringem grünen Potenzial.
Im internationalen Vergleich verzeichnet die Schweiz einen relativ hohen Anteil an Beschäftigten in Berufen mit hohem grünen Potenzial. Der Schweizer Arbeitsmarkt erscheint daher grundsätzlich gut aufgestellt für die Herausforderungen einer grünen Transformation. Allerdings weisen Berufe mit hohem grünen Potenzial eine höhere Rate an offenen Stellen und eine niedrigere Arbeitslosenquote auf. Das deutet darauf, dass solche Beschäftigte bereits heute auf dem Arbeitsmarkt eher knapp sind.
Einfluss umweltpolitischer Massnahmen auf den Arbeitsmarkt
Diese Knappheit könnte sich künftig weiter akzentuieren. Denn eine Verschärfung umweltpolitischer Massnahmen zeigt einen positiven Zusammenhang mit der Nachfrage nach Berufen bzw. Beschäftigten mit hohem grünen Potenzial. Zugleich ergibt sich im Industriesektor ein negativer Zusammenhang zwischen umweltpolitischen Massnahmen und der Nachfrage nach Berufen mit tiefem grünen Potenzial, während kein Zusammenhang mit der Gesamtbeschäftigung im Industriesektor ersichtlich ist. Eine Verlagerung von zahlreichen schweizerischen Industrien ins Ausland scheint wenig wahrscheinlich, da Industrien mit einem hohen Anteil der (relativ knappen) Beschäftigten mit hohem grünen Potenzial relativ tiefe Treibhausgasemissionen aufweisen (Ausnahme: Chemische Industrie).
Zusammengenommen deutet dies darauf hin, dass die Transformation zu einer grünen Wirtschaft auf dem Arbeitsmarkt zu strukturellen Veränderungen führen dürfte, die vor allem zwischen Berufen Gewinner und Verlierer zur Folge haben.
Bedeutung für die Forschung
Bestehende Ansätze zur Quantifizierung des grünen Potenzials von Berufen und Arbeitsmärkten sind wenig differenziert und fokussieren auf die USA. Wir entwickelten einen methodischen Ansatz, der diese Probleme behebt. So gelingt es uns, genauere und flächendeckendere Analysen zu den Implikationen der grünen Transformation auf Berusfgruppen sowie für europäische Volkswirtschaften (inkl. die Schweiz) durchzuführen. Dies erhöht das Verständnis der arbeitsmarktlichen Auswirkungen des Umbaus zu einer grünen Wirtschaft .
Bedeutung für die Praxis
In Zukunft dürften Unternehmen vermehrt Arbeitskräfte nachfragen, die ein «hohes grünes Potenztial» haben. Hier besteht die Gefahr sogenannter «Mismatches» bei Stellenbesetzungen. Behörden und Branchen sollten diesem Problem bei der Zertifizierung von «Querschnittskompetenzen» entgegenwirken. Zudem sollte der Staat den steigenden Bedarf technischer Fähigkeiten gut kommunizieren und Unternehmen durch Steuererleichterungen oder Subventionen bei der Schaffung dieser Fähigkeiten unterstützen.
Publikationen
Projektleitung
Prof. Dr. Rolf Weder
Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Universität Basel
Dr. Wolfram Kägi
B,S,S. Volkswirtschaftliche Beratung AG